Julzeit
Die Sonne ist versunken,
Nacht über Wald und Feld.
Im Dunkel tief ertrunken
all süße Luft der Welt.
Lass fahren, Herz, lass fahren!
Sei stark in Not und Pein.
Bald wird auf Nordlands Erbe
ein neuer Frühling sein.
Und liegt im Schoß begraben
das Land so weiß und weit,
und rufen rau die Raben,
erfüllt ist bald die Zeit.
Es soll uns nimmer schrecken
ein Dunkel noch so groß;
das Licht wird neu geboren
aus ewgem Mutterschoß.
Ist eine Nacht der Nächte,
da wächst das Wunder leis,
die ewgen Gottesmächte
bezwingen Nacht und Eis.
Lass helle Kerzen brennen
in Saat und Seele dein,
bald wird auf Nordlands Erbe
ein neuer Frühling sein!
(Guntram Erich Pohl)
In der kommenden Nacht, am 22. Dezember 2023 um 4:27 Uhr, ist der Wendezeitpunkt des Sonnenjahres. Der neue Jahreszyklus beginnt, es ist Wintersonnenwende, Mittwinter. Ab morgen werden die Tage nun wieder länger und das Licht tritt bis zum Mittsommer seinen alljährlichen Siegeszug gegen die Dunkelheit an.
Für Menschen, Tiere und Pflanzen – also allgemein gesprochen für das Leben – ist dieser Moment sehr bedeutsam. Besonders unsere Tiere bemerken in den kommenden Tagen und Wochen die Veränderung der Lichtverhältnisse und bei so mancher Tierart beginnen sich die naturgegebenen Zyklen zu regen.
Wir können das beispielsweise gut an unseren Hühnern beobachten, welche seit dem Herbst nur selten bis gar keine Eier legen – was natürlich … ist, denn Brüten ergibt ja erst im Frühjahr wieder Sinn.
Einige wenige unserer Althennen haben uns zwar in den vergangenen Tagen bereits wieder das ein oder andere Ei geschenkt und sind somit “früh dran“, doch wird es erst gegen Ende Dezember / Anfang Januar wieder losgehen mit der Regelmäßigkeit.
Und wer weiß, vielleicht erleben wir – wie im sich nun dem Ende zuneigenden Jahr – wieder recht frühes Brüten bei der ein oder anderen Henne, was dann durchaus wieder dazu führen könnte, dass die ersten Küken des Jahres in ihren frühen Lebenstagen noch etwas Schnee erleben. Wir werden sehen.
Glaubt man den gängigen Überlieferungen, waren die Sonnenwenden im Winter und Sommer sowie die Tag- und Nachtgleichen im Frühjahr und Herbst bei allen alten Völkern kalendarische Ankerpunkte.
Und das ergibt auch eine Menge Sinn. Demnach feierten auch unsere Vorväter die Wintersonnenwende mit dem Julfest, der geweihten Nacht, und den darauf folgenden zwölf Rauhnächten.
Der Hintergrund für diese besinnliche Zeit ergibt ebenfalls eine Menge Sinn, denn damit verbunden wird die Angleichung der Sonnen- und Mondkalender angenommen. Ein Mon(d)at, von Neumond zu Neumond, dauert 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten – oder rund 29 ½ Tage.
Diese Mondphasen waren und sind für jeden gut beobachtbar und somit eine gute Berechnungsgrundlage für die Aussaat oder auch Heil- und Fastenzeiten.
In 354 Tagen finden somit genau 12 Neumonde statt, wohingegen das Sonnenjahr bekanntlich 365 (genauer: 365 ¼) Tage aufweist. Die Differenz sind 12 Nächte und 11 Tage, die Zeit, von welcher heute als “zwischen den Jahren“ gesprochen wird – die Rauhnächte.
Die auf die längste Nacht des Jahres folgende Nacht sei von unseren Ahnen als Beginn einer inneren Einkehr begangen worden. Diese Einkehr habe 12 Nächte und 11 Tage angedauert; eine Zeit der Besinnung [heimkehr.n8waechter.net], der Orakel und Rituale:
“Für die Germanen hatten die 12 Rauhnächte große Bedeutung. Hier sollten die Geschehnisse jeder einzelnen Nacht, symbolisch für einen Monat des folgenden Jahres stehen. So sollen z.B. die Träume in diesen Nächten Aufschluß darüber geben, was passieren wird.
Es wurden in diesen Nächten auch Orakel befragt, die Auskunft über die Zukunft geben sollten. Dieser Brauch hat sich im Bleigießen zu Silvester erhalten. Es heißt, daß in den Rauhenächten die Seelen der Verstorbenen als wilde Horde, angeführt von Wodan (bzw. nordger. Odin), durch die Luft brausen.
Mit dem zu Jul entzündeten Räucherwerk wollte man die verstorbenen Seelen vom Heim fernhalten. Es wird allgemein angenommen, daß vom Rauch dieses Räucherwerkes und des Runen raunens der Name Rauhenächte abgeleitet wurde.“
Überlieferungen nach wurden diese alten Bräuche Im Zuge der Christianisierung durch die Römisch-Katholische Kirche zunächst geächtet und später dann adaptiert.
Der Weihenachtstag am 25. Dezember wurde folglich als Geburtstag von Jesus Christus festgelegt und der Tag nach den darauf folgenden 12 Nächten, der 6. Januar, der Tag der “Heiligen drei Könige“, markiert das Ende der Feierlichkeiten.
So begehen Millionen von Menschen weltweit bis heute – um wenige Tage zeitversetzt – ein wohl uraltes „heidnisches“ Fest, wenngleich sie sich der Überlieferungen der Ursprünge überwiegend unbewusst sind.
Ein neuer Jahreskreis beginnt also nun und das Licht siegt einmal mehr über die Dunkelheit. In Gedenken an unsere ehrenwerten Ahnen wünsche ich allen Lesern ein gesundes neues und zaubervolles Sonnenjahr.
Möge die Zeit zwischen den Jahren der inneren Einkehr, Besinnung und Rückschau dienlich sein und möge das kommende Jahr allen Frieden, Glück, Liebe und Freude schenken.
Seid aufrecht und bleibt standhaft!
Quellen: PublicDomain/n8waechter.net am 23.12.2023